Woche XXXXV | Montag, 04.07.2016

Am Morgen in der Schule erfährt sie, dass am nächsten Tag drei Tests anstehen, am übernächsten einer und Zack-Bumm – schlägt der Kopfschmerz zu. Eine große Müdigkeit macht sich breit und Resignation.
Auch nach neun Jahren Schule ist das nichts, woran sich das Kind gewöhnen konnte. Es hat keine weiteren Strategien zur Hand, mit denen es der Bedrohung begegnen kann. Es hilft nichts, zu wissen, dass es doch bisher noch nie wirklich schlimm ausgegangen ist, dass die Eltern keinen Stress machen werden, wenn die Noten doch mal nicht stimmen.
Das lässt mich vermuten, dass es vielleicht nicht nur die (unbegründete) Befürchtung des Versagens ist, die zu dieser spontanen Stressreaktion führt. Ich denke nun, nach drei Tagen inneren Rumpelstilzchen-Tanzes, dass es weiter reicht: es ist die wiederholte Ignoranz gegenüber dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung, das Erleben von Ohnmacht gegenüber der Willkür der Entscheidungen treffenden Erwachsenen. Die machen ihre Pläne über die Köpfe der Kinder und Jugendlichen hinweg, machen sich dabei wenig Mühe, auch für die Lernenden und ihre Gegenwart Relevanz zu schaffen, stattdessen nur ein Verweisen auf später und ein „Wir müssen das ja machen“. Vorgelebtes Opferdasein.
Und die eigene Mutlosigkeit entlädt sich dann in frustrierten Äußerungen, in ungeduldigen Erwartungen an die jungen Menschen. In Sarkasmus oder gar Zynismus, wirklich giftige Gewächse für Heranwachsende, deren Urteilskraft noch nicht ausreicht, um die Guten von den Schlechten zu unterscheiden.
Und es ist die nachhaltige Verweigerung menschlicher Zuwendung: Zuversicht zu wecken und anzuspornen, Trost zu spenden. Das Still-face Experiment zeigt, wie die Kleinstkinder reagieren. Die Großen haben das besser „im Griff“, rasten nicht gleich so aus, aber kalt lässt sie das auch nicht.
Und kein Verständnis zu suchen für das Verhalten der Heranwachsenden, halte ich für folgenschwer. Sie faul oder dumm zu nennen, hilft niemandem weiter, vielleicht kann man auf diese Weise Verantwortung abgeben. Aber wollen wir, dass sie was lernen? Dann müssen wir zunächst dran glauben, dass das geht…
Die Pädagog*innen wissen selbst am besten, was Prüfungssituationen auslösen können: Sie selbst fürchten sich am meisten davor, von Kollegen oder vielleicht gar von den Schüler*innen eingeschätzt zu werden. Anders kann ich mir nicht erklären, warum sie immernoch nicht nach Rückmeldung fragen und ihre Arbeit evaluieren lassen.
Wie würden sie bestehen, wenn sie die Maßstäbe, die sie den jungen Leuten anlegen, sich selbst anlegten?
Aber darum geht es gar nicht, es reicht in sich hineinzulauschen, was da losgeht beim Gedanken daran, dass der eigene Unterricht hospitiert wird. Wenn sich der Pädagoge dann seiner Aufregung bewusst wird und sich fragt, ob er unter diesen Umständen zu seiner Bestform auflaufen könnte – dann kann jeder leicht selbst beantworten, ob man dann wirklich ermittelt, was einer tatsächlich auf dem Kasten hat.
Ich selbst brauche vollstes Vertrauen, wenn ich etwas präsentiere oder durchführe und dabei aus dem Vollen schöpfen will, nur dann kann ich alle meine Register ziehen und „abheben“. Ein gewisses Maß an Aufregung ist dabei insoweit hilfreich, dass es Reserven mobilisiert, das gewisse Extra erweckt. Aber Argusaugen bewirken das ganze Gegenteil bei mir. Ich werde unsicher und patze.
Ist doch schade, oder?
Wenn Pädagog*innen wirklich ein Anliegen hätten, den Kindern die Ausstattung für ihr Leben als Erwachsene zu liefern, dann müssten sie wohl versuchen, das Beste aus ihnen herauszuholen. Sie müssten sich doch um Fortschritte bemühen und sich über jeden neuen Schritt ihrer Schützlinge freuen. Sie müssten doch Zeugnisse schreiben wollen, auf denen zu lesen ist, was sie Tolles können! Oder? Vor allem wenn man bedenkt, dass diese zukünftigen „Leistungstragenden“ nicht nur die Rente ihrer Lehrer erwirtschaften sollen, sondern womöglich als Pfleger, Ärzte und Physiotherapeuten die Oberhand haben werden… Oder schon vorher zu Vorgesetzten werden. Oder die Nachbarschaft in einer Weise bevölkern, die wenig einladend ist, noch vor die Tür zu gehen.
Wenn mich das Lampenfieber übermannt, dann finde ich mich um Wohlwollen winselnd im hintersten Eckchen meiner Seele wieder, nachdem ich wie verrückt im Carree gesprungen bin, um zu retten, was zu retten ist, und noch alles mögliche zu holen, was dabei helfen könnte – völlig außer mir.
Liebe Lehrer*innen, verwandelt euch bitte zurück in Quellen des Wissens und der Weisheit, lasst die Testerei, freut euch lieber über die Verbesserungen und sammelt nur die reifen Früchte eurer Arbeit. Schaut auf das, was gelingt, teilt eure Erfahrungen. Und werdet nicht müde zu verstehen, was es braucht, um gut lernen zu können. Werdet wieder die Helfer und Unterstützer, die die Kinder brauchen auf ihrem Weg ins Leben. Auch wir Eltern brauchen das: das Gefühl, dass die Kinder bei euch gut aufgehoben sind. Dass wir Schulpflicht haben, könnte dann eine Chance bedeuten. Für die Verwandlung der Schule in einen Ort des Wunderns, Forschens, Übens und Schätzebergens. Einen Ort der Freude und Herausforderung. Einem Quell von Erkenntnis und Erfahrung. Einem sicheren Hort für unsere Zukunftsträger: unsere Kinder. Die, solange sie nicht erwachsen sind und sich selbst versorgen können, besonderen Schutz brauchen. Den Schutz einer Gemeinschaft von Menschen. Nicht die Kontrolle und Überwachung durch willige Befehlsempfänger.

Woche XXX | Montag, 21.03.2016

Wenn man seine eigenen Kinder auch mal mehrere Tage hintereinander in ausgeruhtem Zustand erleben kann, ohne Aufträge, die sie erfüllen sollen, dann kann es vorkommen, dass sie sich irre langweilen und damit alle behelligen, die irgendwie auf Empfang sind. Es ist vielleicht wie das berühmte Loch, in das man fällt, wenn man von einem Tag auf den anderen keinen Arbeitsplatz mehr hat, an den man gehen kann. Haben sie dann nach einer Weile etwas gefunden, was sie machen wollen, dann geht damit so richtig die Post ab. Zum Beispiel ein Stück auf Mamas Gitarre einzuüben, das gerade in ist im Freundeskreis. Mit Hingabe und Anstrengungsbereitschaft. (Die ich mir auch für die Erledigung von Familien-Arbeiten wünsche.) Oder aus den Pappzylindern des Toilettenpapiers Werkzeuge zu bauen. Das macht das Leben lebenswert – etwas zu tun, was Bedeutung für das eigene Leben hat. Etwas, was einem Freude macht.
Dem gegenüber der Satz des Grundschulkindes einer Freundin: „Es macht einfach keinen Spaß zu lernen, wenn man immer schlechte Noten bekommt.“ Ich glaube, viele Lehrer*innen würden ihren Job an den Nagel hängen, wenn sie regelmäßig Noten bekämen für ihre Arbeit. Sie sagen, es seien ja die Eltern, die die Noten wollen. Das stimmt sicherlich, aber nicht für mich, zum Beispiel. Auf mich als einzelne Mutter hört dann aber niemand. Dann glaube ich, dass es auch nur eine Ausrede ist. Ich bin sicher, alle Eltern wollen Orientierung über die Sachlage bei ihren Kindern, und am liebsten sollen das natürlich gute Nachrichten sein. Was hindert uns, genau das zu machen? Warum stellen wir uns und den Erwachsenen an den Schulen nicht die Aufgabe, gute Zeugnisse auszustellen? Also nur aufzuschreiben, was gut klappt? Das zeigt doch dann ganz konstruktiv den Stand der Dinge, denn was da nicht draufsteht, bleibt als Aufgabe für den weiteren Schul- und Bildungsweg.
Was leben diejenigen Pädagog*innen vor, die deshalb Noten geben, weil sie müssen?
Was leben diejenigen vor, die einfach in Ruhe unterrichten wollen, ohne mit den Menschen in den Schulpflichtigen zu tun haben zu müssen?
Was leben wir vor, wenn wir die Anforderungen eines Systems über die Bedürfnisse des einzelnen Menschen stellen, selbst wenn dieser dadurch leidet oder erkrankt? Und wenn dieser Mensch ein Schutzbefohlener ist?
Wir haben jetzt Ferien, ich habe den ganzen Tag Gelegenheit, mit den Kindern zu erproben, wie es geht, wenn man z.B. das Kriterium Freiwilligkeit erfüllen möchte. Wie erreiche ich die Mitwirkung meines Kindes im Haushalt, wenn es gerade nicht sowieso begeistert angelaufen kommt, um mir zu helfen? Ohne es zu erpressen oder zu zwingen?
Wie? Indem ich mich als Mensch zeige, der die Dringlichkeit oder Ernsthaftigkeit seiner Bitte auf eine Weise deutlich macht, die dem anderen ans Herz geht und nicht auf die Nerven. Der am Ende Danke sagt für die Bereitschaft des Kindes, diesen Dienst zu leisten, der nicht unmittelbar mit seinen eigenen Bedürfnissen im Zusammenhang steht, sondern erst damit in Berührung kommt, wenn meine „Notlage“ deutlich wird – und dann berührt es das Bedürfnis nach Identität, „Ich bin wichtig“.
Ich selbst leide darunter, wenn ich Dinge für andere tue, die sie selber könnten, und das als Selbstverständlichkeit übergangen wird. Auch in unserer arbeitsteiligen Familie sehe ich diese Arbeitsteilung als etwas zu Würdigendes an, ich muss es nicht immer dick auftragen, aber ich nehme es auch nicht als Naturgesetz hin. Es ist eine Errungenschaft, wenn es gelingt. Oft genug scheitert’s ja.
Es ist aufgrund meiner Erziehung und der Kultur, in die ich hineinwuchs, ein Automatismus „Seid bereit – immer bereit“, aber einer, der mich schlaucht. Ich mühe mich, ihn stillzulegen im Umgang mit andern Menschen, auch Erwachsenen. Auch meinen Eltern. (Besonders heikel.) Ich mühe mich, mit den Kindern zu wachsen und die Versorgungsgewohnheiten abzulegen, die nicht mehr altersgemäß sind. (Das fällt spätestens dann nicht mehr allzu schwer, wenn man für das, was man tut, hauptsächlich Kritik oder Ärger erntet.) Ich mühe mich um meine eigene Freiwilligkeit. Wenn ich sie errungen habe, dann bin ich authentisches Vorbild, dann strahle ich es aus als Wesensmerkmal und muss nicht mehr reden wie ein Buch. Dann gestehe ich es mir und gleichzeitig allen zu.
Tja, ich ringe noch. In den Augenblicken des Gelingens weiß ich, dass es sich wirklich lohnt. Und ich merke das Gelingen, auch wenn mir niemand eine Note dafür gibt. Die ist nur wichtig für jene, die nicht mit mir vertraut sind.
Noten – ein Indiz für mangelndes Auskennen miteinander? Zuwenig Hinwendung, Interesse? Verständnis?

Woche XV | Freitag, 11.12.2015

Seit Dienstag war McFlitz zu Hause, mit Husten und Schnupfen, er ist heute wieder in der Schule, gestern machte Oishi-Kawaii eine Verschnaufpause (sie hatte sich bei dem Versuch, eine Präsentation zu erstellen am Abstürzen des Programmes erschöpft und außerdem am Gedanken an einige weitere Vorträge, die auch noch vorzubereiten waren) und heute ist Kkumhada mit Kopfschmerzen in der Waagerechten.
Ich selbst hatte am Montag eine Schwitzrunde auf dem Zettel, dann gab es am Mittwoch den Film „alphabet – Angst oder Liebe“ im Gymnasium, zu dem wir die Pädagog*innen einluden. Darauf folgte für mich eine schlaflose Nacht, ich war so aufgewühlt. Nicht vom Film, den hatte ich mir schon einige Tage zuvor nochmal angesehen, aber von den Gesprächen im Anschluss. Abwehr, Geringschätzung, Bewegtheit, Begeisterung – alles war dabei.
Gestern wurde ich gefragt, ob es nicht was für mich wäre, den Flüchtlingen Deutsch beizubringen. Mein Verstand sagt ohne zu zögern JA! aber es gibt emotional-seelisch eine für mich noch nicht zu fassende Hürde. Ein Konglomerat von Befürchtungen aller Art ist wie ein Schutzwall mit Abwehreinrichtungen um mich herum errichtet, aus dem ich mich nicht hervorwage. Es reicht von „Ich kann das nicht“ über die Angst vor den Männern mit einem fremden Frauen(rollen)bild bis hin zu spontaner Ermüdung beim bloßen Gedanken an eine systematische Verpflichtung.
Dem gegenüber habe ich wieder an meinem eigenen Angebot „gebastelt“, das seinerseits leider noch keine Abnehmer*innen finden konnte. Eine Zwickmühle. Ich mache etwas SchönesGutesWahres, für das ich allseits gelobt werde, aber das keiner nutzen will, jemand braucht etwas GutesWahresSchönes, das ich nicht kann. Emotional. Welche alte Geschichte mag da wohl wieder dahinterstecken? Denn ich bin ja nicht so verbaut auf die Welt gekommen. Und irgendwann habe ich zur Rettung meines Lebens mal diesen Schaltkreis eingerichtet, der jetzt so hinderlich wird. Also: die nächste Aufklärungs- und Heilungsmission in Sicht.
Ich bleibe dabei, ich möchte, was ich tue, mit Liebe tun. Mich nicht dazu überwinden müssen. Meine Emotionen, die mich vor irgendetwas warnen und schützen wollen.
Ich habe sie für mich sortiert, die 7 Grundemos:
neutral: Überraschung
annehmend: Freude, Trauer, Angst
abwehrend: Verachtung, Ekel, Wut/Ärger
Das, was mir Angst macht, müsste nun an eine der abwehrenden Instanzen weiter geleitet werden, dazu müsste Angst mal unter dem Schaltpult hervorkommen und die anderen alarmieren, damit sie sich der Sache annehmen können. Leider waren die seinerzeit in der „Schule der Kindheit“ nicht gern gesehen, hatten gewissermaßen Hausverbot und haben also einigen Lernstoff nachzuholen… Mein emotionales Immunsystem reift langsam nach.
Bei meinen Kindern kann ich mithilfe dieser Vorstellungen vieles gut nachvollziehen, bei den Kindern anderer Leute gelingt mir das noch weit besser, bzw. leichter. Vielleicht weil ich da aus größerem Abstand heraus sehe und weniger von den Details aufgehalten werde.
Meine Lungenentzündung als Kind steht ganz sicher auch mit seelischem Erleben im Zusammenhang. Und meine Anginen, mein Dauerschnupfen. Wenn ich mir vor Augen halte, dass jegliche Empfindung und Wahrnehmung biochemisch umgesetzt wird und von bestimmten Zellen und Organen ausgetragen wird, dann gibt es sicherlich auch einen thematischen Zusammenhang zwischen Körperteilen und seelischen Themen. Mir gefällt die Analogie schon lange (Von etwas die Nase voll haben, z.B.), aber jetzt ist es sicherlich nur noch eine Frage der Zeit, bis der Zusammenhang für alle sichtbar wird. Und damit glaubhaft oder annehmbar. Und endlich nicht mehr als Einbildung abgetan wird. Mir macht es nicht viel aus, wenn ich als Spinnerin angesehen werde, aber in manchen Kontexten kann mir das richtig gefährlich werden. Wenn z.B. jemandem das als Begründung für seine Sorge darum dient, ob ich denn meine Kinder vielleicht in Gefahr bringe… Ja, hier bin ich verwundbar, erpressbar. Hier mache ich schnell den Kompromiss und verstecke mich lieber einmal mehr als einmal zu wenig.
Dass die Kinder aber einer profitorientierten Ökonomie und kriegsgeilen Wirtschaft geopfert werden, indem ihre Eltern systematisch entwürdigt werden, weil sie als kooperative Wesen nur die Wahl haben, sich diesem kriminellen System anzupassen. Das ist schizophren, falls ich das Wort richtig auffasse. Zum Verrücktwerden.
… oder es mit Zivilcourage umzukrempeln (und damit für einen guten Zweck Kriminalisierung zu riskieren) – wenn ich mir das überlege, dann ist es doch eigentlich eine leichte Entscheidung … Aber – ich will mit meinen Kindern leben. Also weiterhin auf der Hut bleiben. Gleichgesinnte finden. Schlafende wachküssen. Rückbesinnung anregen.

Woche XV | Montag, 07.12.2015

Ich habe heute morgen nur ganz kurz die nötigsten Handgriffe getan und bin dann zum Schwitzen zurück unter die Daunen geschlüpft: ein kratziger Hals und Hitze-Kälte-Wellen veranlassten mich dazu. Um die Mittagszeit war ich damit durch und konnte für den Rest des Tages andere Pläne machen.
Als zentralen Gedanken hatte ich das Thema Schulfrust und Gesundheit, denn das Beispiel der Kinder einer Freundin lenkt meine Aufmerksamkeit darauf.
Natürlich geht es mir nicht darum, die Kinder von Herausforderungen fernzuhalten, aber mein Schutzinstinkt springt an, wenn sich Lehrer*innen lieber an einen Lehrplan halten als an die individuelle Lage eines Kindes und lieber das Kind der Dummheit oder Unfähigkeit bezichtigen als es bei der Bewältigung der ihm gestellten Aufgaben anzuleiten und zu begleiten.
So bleibt das den Eltern aufgetragen: Mehr üben! Mit rotem Lehrer*innenblut ins Hausaufgabenheft geschrieben. Das traute Heim mutiert zur Nachhilfearena, die kooperationswilligen Eltern finden sich als Zulieferer für die Schule wieder und verbringen den Feierabend, der längst keiner mehr ist, mit diesem unbezahlten Nebenjob.
Mit dem Effekt, dass sich das Kind nun auch zu Hause nicht mehr sicher fühlen kann vor den Drangsalierungen der Schule. Es erinnert seine Mutter an ihr Muttersein – es wird krank.
Nun ist die Mutter als Krankenschwester gefragt. Wiederum ehrenamtlich. Oder als Taxi zum Arzt.
Den Zusammenhang sehen wir nicht, dass die Ereignisse in der Schule, die unser Kind überfordern, im Endeffekt für diese Hausaufgabe für das körperliche Immunsystem gesorgt haben, der Körper als Austragungsort des Konfliktes.
Ich habe begonnen, das nicht mehr als meine Privatangelegenheit anzusehen. Und sehe auch die Zusammenhänge zwischen den Erlebnissen in der außerfamiliären Welt, der Familienkultur und dem jeweiligen Stand der Entwicklung des Kindes. Ich sehe, wie Schule und Eltern sich gegenseitig Zuständigkeiten zuschreiben und kaum sensibel sind für die Bedürfnisse des Kindes, der Familie und der Lehrperson. So bleiben alle mit sich allein. Gehen zum Arzt. Die Rückmeldung wird nicht berücksichtigt für die weitere Vorgehensweise „im System“, sie strandet irgendwo anders, die innewohnenden Aufgaben bleiben ungesehen.
Ich wünsche mir in dieser Sache gegenseitige Achtsamkeit und Interesse am Ergehen der Beteiligten, insbesondere der Kinder. Ihr Wohlbefinden hat direkt mit den Erwachsenen in ihrem Leben zu tun. Wir haben Schulpflicht, auf Gedeih und Verderb, und vielleicht müsste der Begriff „Kindeswohl“ in diesem Zusammenhang öfter betrachtet werden. Ich tue es schon häufig und ernte fast ebenso häufig verständnislose Gesichter. „Da muss man durch“, „Uns hat es auch nicht geschadet“, „Kinder brauchen Druck“ – so lauten gewöhnlich die Antworten von Eltern und Lehrer*innen.
Ja, unsere Kinder müssen da noch durch, aber ich sage meinen: Hey, seht es als Museum an, wenn ihr könnt. (Ich tue, was ich kann, um den Wandel anzustoßen. Bin noch sehr schüchtern, aber ich bleibe dran. Meine Kinder wollen gern in eine Schule gehen, auch um andere Kinder zu treffen.) Mir hat es geschadet, definitiv. (Ich hatte aber das Glück, dass das Tempo zu mir passte und ich eben offen war für die gebotenen Inhalte.) Vielleicht habe ich auch länger als andere die Verbindung zu meinem lebendigen Inneren halten können, so dass ich die Schmerzen noch spüren kann, die unser Schulzwang, das gleichschrittige Lernen, das Vergleichen der Leistungen mit einem Mittelwert verursachen. Und: die Kinder brauchen nicht Druck, sie brauchen Schwerkraft, Bedeutsamkeit, Sinn. Nur Zahnrädern reichen Befehle.
Ich glaube, dass vielen Erwachsenen zwar nicht unbedingt die Verbindung zu ihrem lebendigen Wesen fehlt, aber der Mut, es als „richtig“ anzusehen. Ich wünsche allen mit Hausaufgaben in ihrem Immunsystem Gutes Gelingen! Und den Kindern, die in der Schule leiden, mutige Erwachsene, die sie anleiten und begleiten auf dem Weg durch die Konflikte des Heranwachsens. Vielleicht nicht nur dazu, wie man sich eine Rüstung zulegt, sondern eher ein kuschliges dickes Fell, unter dem man selbst nicht erfriert, an das sich aber auch andere anschmiegen können, die gerade frieren… Ich nehme das als Hausaufgabe an. Gerne. Und dazu noch Tai Chi, wenn ich wieder Gelegenheit finde. Oder Aikido. Gibt es auch etwas Entsprechendes in der abendländischen Tradition?